Mindestaufhebedauer

Heute an meinen Bundestagabgeordneten geschrieben:


Sehr geehrter Herr X:

Sie vertreten mich quasi derzeit im Bundestag. Ich möchte daher kurz
darlegen, dass ich gegen die Vorratsdatenspeicherung bin und bitte Sie,
gegen entsprechende Gesetzesentwürfe zu stimmen.

1. Glaube ich nicht, dass die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich hilft.
Für Kriminelle oder gar terroristische Elemente ist sie zu leicht zu
umgehen, oder sie bringt im Fall von Teroranschlägen nur im Nachhinein
Erkenntnisse. Dies wird ja unter anderem sehr schön dadurch illustriert,
das die Anschläge in Frankreich nicht verhindert werden konnten, OBWOHL
Frankreich eine Vorratsdatenspeicherung hat UND die Täter den Behörden
sogar einschlägig bekannt waren.

Und überhaupt: Sie wissen, dass die statistische Wahrscheinlichkeit an
einem Teroranschlages zu sterben nach wie vor verschwindend gering ist
(selbst in Ländern die bisher mehr Pech hatten als wir).
Wenn es einem um Sicherheit und Menschenleben geht, ist das Thema
geradezu bedeutungslos im Vergleich zum Haushaltsunfällen, Krebstoten,
Ertrinkungsunfällen, Verkehrstoten, Rauchen, fettes Essen und
zahlreichen anderen Bereichen.

Das ausgerechnet der Terroranschlag als einer der wesentlichen Gründe
für die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung angeführt wird ist
mit Fakten eigentlich nicht begründbar. Nur mit diffuser Angst.


2. Dem Gegenüber stehen aber deutliche Einschnitte in die
Freiheitsrechte der Bürger. Alle Bürger werden anlasslos überwacht, auch
Sie und ich. Auch wenn der Inhalt der Kommunikation nicht abgespeichert
wird, so lassen sich doch aus Daten die zeigen wer wen angerufen oder
gemailt hat erhebliche Rückschlüsse ziehen. Ich befürchte hier
insbesondere eine zunächst kaum merkliche Anpassung des eigenen
Verhaltens. Vielleicht wird man das schwarze Schaf der Familie lieber
nicht mehr so häufig anrufen, immerhin war der Neffe ja schon 2x im
Knast, da will man nicht, dass man nachweislich zu viel Kontakt mit dem
hat. Das man vielleicht auch keine Sex-Hotline mehr anruft in dem
Bewusstsein, dass andere Leute das sehen könnten ist mir persönlich zwar
egal, aber es mag Leute geben, die das tun und die Ihr Verhalten ändern
würden. Gut, das ist vielleicht in diesem Fall nicht mal von Nachteil,
aber ist es an uns zu bestimmen was "normal" ist und was nicht? Freiheit
ist nur unsere oder auch die der Leute die was nicht verbotenes aber
unangepasstes machen?

Ruft ein Alkoholkranker noch bei Hotline wenn er ein Alkoholproblem
haben? Oder lieber doch nicht? Ist die AIDS Selbsthilfe Notrufnummer in
den Ausnahmen enthalten?

Und überhaupt: Wie lange werden die Ausnahmen bestand haben?* Immerhin
wird ja im Zusammenhang mit dem German-Wings-Vorfall auch diskutiert die
ärztliche Schweigepflicht aufzuheben: Was muss passieren, damit bisher
ausgenommene Gespräche DOCH ebenfalls überwacht werden?
Kurzum: Ich erwarte eine schleichende Anpassung der Gesellschaft.

Die Kriminellen hingegen weichen auf andere Methoden aus.

3. Selbst wenn staatliche Stellen tatsächlich zurückhaltend mit den
Daten umgehen, so sind die Daten doch ein Schatz für Elemente die ihrer
durch Hacking oder ähnliches habhaft werden könnten. Es gibt sicher
einen Markt für Bewegungsprofile, sei es auch nur um zu wissen, wann ein
Hausbesitzer typischerweise nicht zuhause ist oder auf welcher Webseite
er regelmäßig einkauft, um Phishingmails masszuschneidern ("Sehr geehrter
Kunde, bei der Überprüfung Ihres Amazonkontos nach Ihrem Besuch der
Bestellseite am letzten Freitag hat es Unregelmässigkeiten gegeben,
bitte verifizieren Sie...").
Es ist eine Illusion anzunehmen, diese Daten könnten auf ewig sicher
sein.
Das liegt schon an:

4. Selbstverständlich hat die Vorratsdatenspeicherung auch
wirtschaftliche Implikationen. Sie kosten schlicht Geld und zwar nicht
wenig. Die Datenmengen sind gross und die meisten Anbieter speichern
diese Daten nicht (schon weil es aktuell gar nicht erlaubt ist).
Entsprechende Systeme müssen also gebaut werden. Hier wird man sicher
sparen wo man kann, denn Preiserhöhungen würden die Marktchancen
verringern. Sparen heisst auch: Wenig Sicherheit, geringes Monitoring
der Systeme. Es ist nur eine Frage der Zeit bis diese Daten in falsche
Hände geraten.

mit freundlichen Grüssen,

Sö Jrillmasda



* (Diesen Text schrieb ich gestern. Ich fragte also GESTERN wie lange ein versprochene Zugangsbeschränkung zu Daten Bestand hat. HEUTE wissen wir es, denn heute wurde in der grossen Koalition diskutiert, dass man die Mautdaten auch Dritten zugänglich machen möchte.
CDU Mann Thomas Jarzombek hat dem Handelsblatt dazu erklärt: "Es wird sicher Startups geben, die daraus Dienste entwickeln wollen“

Die wird es allerdings geben.

Bei den Daten der Vorratsdatenspeicherung auch.