Weg mit irgendwas!

Grillamster bluberstrasse 9 1Berlinbr>


Berlin, 17.05.1994



Beste Margit SYYYYYYg,

heute fand ich den Aufruf zur Demo gegen… für… ja, was eigentlich?
Also nicht, dass wir uns mißverstehen, ich bin im Grunde Ihrer Meinung
und habe auch Ihr Flugblatt verstanden. Aber gerne habe ich es nicht gelesen. Und ob es die anderen Bewohner meines Hauses verstanden haben… Nun ja.
Ich persönlich blicke auf eine lange Erfahrung mit Formulierungen
wie: "Weg mit… antifaschistische…. nie wieder… Sowieso-Innen." zurück und ich kann nur sagen, so etwas interessiert KEINEN.
Auch ich bin aufgerufen, an einer Demo teilzunehmen, die unter dem Motto
steht:
"Keine Kriminalisierung des anti-faschistischen Widerstands -
und der Selbstverteidigung von Immigrantinnen - Eingreifen ist gerechtfertigt!"
??
Äh, was? Echt ja? Wo lebt ihr eigentlich? Die Hälfte der Deutschen
wissen im Grunde nicht, was mit "Antifaschistisch" gemeint ist. Die lesen Bildzeitung und verstehen Sätze wie:
Hamburger Pfarrer killt Dackel in Mikrowelle!
Meiner Meinung nach leidet Ihr unter einem Zielkonflikt. Entweder Ihr wollt
Leute für eine gerecht und gute Sache mobilisieren. Dann müsst Ihr euch der Sprache und den geistigen Möglichkeiten eurer Adressaten angleichen. Schlimmer noch, ihr müsst sie INTERESSIEREN.
Oder ihr wollt ein politisch und sprachlich korrektes Statement abgeben.
Auch nett, nur hören will das keiner und jemanden bewegen könnt ihr damit auch nicht.

Sätze wie: "Der Rassimus, der Sexismus, der Antisemetismus kommen
auch aus der Mitte unserer Gesellschaft," sind zwar richtig, aber wenn Ihr glaubt, der Satz bedeute für den Otto Normalbürger mehr als "blubber blubber", dann seid ihr schief gewickelt.
Ferner schreibt Ihr: "Worum geht es uns in dieser Demonstration?"
Uns? Also Euch? Ich soll also auf einer Demo von EUCH mitlaufen?

Warum schreibt ihr nicht:

Worum geht es in dieser Demo?

Satz zu einfach?


Ausserdem:

- Die Belange der Frauen sind legitim, gehören aber hier nicht her. Wenn doch, so bedenkt bitte, daß sie vom zentralen Anliegen ablenken und daher hier nicht produktiv sind. Also bitte lasst den Sexismus stecken und nervt nicht mit "xxxxInnen" Denn damit verliert ihr alle Männer, die bei dem Gedanken an Manzis Wallungen bekommen. Und ihr wisst am Besten, das das einige sind. (Ach übrigens, gibt es keine PolizeibeamtInnen?)

- Mindestens folgende Worte sind inhaltlich dem deutschen Normalbürger NICHT BEKANNT: Pogrom, Mobilisierung, AntifaschistInnen. Die meisten eurer Sätze verstehet der Normalbürger auch nicht, einige Beispiele habe ich schon gebracht. Lest Bildzeitung. Dann wisst ihr, was verstanden wird und was nicht. Ist leider so.

-Überhaupt ist es ungünstig, solche Veranstaltungen mit sprachlichen Mitteln anzukündigen, die schwer an ähnlich Werke des KBW oder so erinnern.

Das Design ist schon ganz nett. Jetzt noch der richtige Text und Ihr könntet mit mehr Unterstützung rechnen. Zwar hart, aber dennoch wahr: Die Demo ist ein Produkt und das soll beworben werden. Also lasst einen Werbetexter ran! (Ich bin keiner!)

Mit freundlichen Grüßen

Grillmaster

P.S.: Der einfache Weg ist, meinen Brief mit den Worten
"So ein arrogantes Arschloch" in den Müll zu werfen.

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(weia, war ich ein arrogantes Arschloch damals!)