Jetzt kann man ja drüber lachen

(Alle Namen sind natürlich frei erfunden, außer die von den Leuten, die genau so heißen, wie es hier steht)

Müller
Sowiesoskystrasse 7
PLZ Berlin







Herr Götz
Götz Gmbh
Postfach 180
D-72403 Bisingen


Berlin, Donnerstag, 15. Oktober 1998




Sehr geehrter Herr Götz,

anbei ein kleines Drehbuch für ein absurdes Theaterstück. Ähnlichkeiten mit einer Firma, die Sie gut kennen, sind leider kein Zufall.


Prolog:

Herr Müller braucht im Juni 1998 ein Federbein für seinen Kawasaki KR600 Supermoto-Umbau. Seine Wahl fällt auf WhitePower. Ein Bekannter sagt ihm: “Götz hat White Power. Allerdings ist Götz in letzter Zeit nicht mehr so doll wie früher, irgendwie unzuverlässig. Naja, nur mein Eindruck, eventuell täuscht das ja.” Herr Müller, der noch nie bei Götz bestellt hat, entschließt sich, aus dem aktuellen Katalog von Götz (den ihn ein Freund mit den mystischen Worten : “Hier, brauche ich eh nicht mehr” überlässt) ein solches Federbein zu bestellen. Dies tut er telefonisch.
Am Telefon sagt man ihm, nachdem er als Neukunde angelegt ist, das Federbein sei am Lager und werde mit einem Katalog und einem Begrüßungsgeschenk in ca. 3-4 Tagen bei Herrn Müller eintreffen.

Hoch erfreut wartet Herr Müller.
4 Tage.
Eine Woche.
10 Tage.

Herr Müller ruft bei Götz an und fragt nach. Dort erfährt er, das Götz im Gegensatz zum Abdruck im aktuellen Katalog WhitePower gar nicht mehr führt und auch kein WhitePower Federbein des fraglichen Typs am Lager ist. Es kann auch keines nachbestellt werden, da man mit Whitepower keine Geschäftsbeziehung mehr habe.

Herr Müller ist etwas genervt. Das bei der anfänglichen telefonischen Bestellung nicht bekannt war, das Götz keine WP Beine mehr führt, findet er komisch. Das angeblich noch eines im Lager war, obwohl dem nicht so gewesen ist, findet Herr Müller auch komisch, kann er aber verstehen, sowas passiert schon mal. Das aber niemand mal angerufen hat, um mitzuteilen, dass das Bein nicht kommt und auch nie kommen wird, erfüllt Herrn Müller mit Verwunderung: Er hatte extra seine Telefonnummer angegeben, die, als er beim zweiten Anruf nachfragt, im System auch eingetragen ist.

Als mögliche Erklärung bietet die Kontaktperson bei Götz ein solides: “Ja ehem, ja weiß ich jetz auch nicht... also...” an.



Erster Akt:

Ende Juli benötigt Herr Müller eine Bremsscheibe für seinen Kawasaki KR600 Supermoto-Umbau. Seine Wahl fällt auf Spiegler, mit zugehörigen Belägen.

Trotz seltsamer Erinnerungen an Vergangenes ist Herr Müller bereit, es noch mal mit Götz zu versuchen. Im aktuellen Katalog ist die fragliche Scheibe gelistet und Herr Müller bestellt telefonisch.

Herr Müller plant Anfang August in Urlaub zu fahren, hofft aber die Scheibe noch vorher zu bekommen: es sind noch über 10 Tage Zeit.

Er fragt ausführlich bei der telefonischen Bestellannahme nach: Ja, die fragliche Bremsscheibe sei am Lager, mit Belägen, und werde in 3-4 Tagen bei Herrn Müller sein. Doch doch, man führe Spiegler noch.

Hoch erfreut wartet Herr Müller.
4 Tage.
Eine Woche.

Es kommt nichts.

Herr Müller ruft bei Götz an und erkundigt sich nach dem Verbleib der Bremsscheibe.

Man erklärt ihm, die Scheibe werde sicher morgen rausgehen (!!) Herr Müller ist leicht sauer und erklärt, er brauche die Scheibe nunmehr dringend, da er sie doch gerne vor dem Urlaub einbauen wolle, da er sonst ohne Motorrad in den Urlaub gehen müsse. Insbesondere sei es ja jetzt auch schon zu spät die Scheibe woanders zu kaufen. Eine Mitarbeiter von Götz versichert, die Scheibe gehe raus und sei bestimmt rechtzeitig da.

Zweifelnd wartet Herr Müller.
3 Tage.

Die Scheibe trifft ein. Nachname bezahlt und Paket geöffnet, Jubel, endlich!

Nach einigen Minuten nachdenkens: Moment mal? Waren Spieglerscheiben nicht irgendwie anders geformt? Und nicht so wie die Scheibe aus der Lieferung? Leider ist die Scheibe nicht originalverpackt, der Hersteller also nicht so leicht festzustellen. Herr Müller vermutet anhand des Aussehens, daß es sich um ein Brembo Scheibe handelt. Er kann diesen Verdacht durch Studium der mitgelieferten ABE erhärten.

Herr Müller fragt sich, ob andere Firmen nicht vorher fragen würden, bevor sie anstatt dem bestellten Produkt was anderes liefern, denkt sich aber, das Brembo letzlich auch okay ist. Die mitgelieferten Beläge scheinen irgendwelche japanischen Noname Produkte zu sein, die er nicht kennt. Dafür hatte er zwar nun nicht 250,- DM bezahlt, aber egal, noch genau einen Tag bis zum Urlaub.

Nur noch mal kurz die Bohrungen ausgemessen, ob die Scheibe auch passt (man hat ja so langsam ein Gefühl mit Götz nicht wahr?)

Beim Betrachten der Bohrungen fällt schon mit bloßem Auge auf: Die sind nicht zentrisch angebracht. Kurz ungläubiges Nachmessen: Die Scheibe hat satte 2 Millimeter Schlag! Jetzt befällt Herrn Müller Wut! Im wird klar, das er dieses Jahr ohne Motorrad Urlaub macht, weil er keine Chance mehr hat, im verbleibenden Tag eine Scheibe zu bekommen, nicht mal die sauteure und schlechte Originalscheibe von Kawasaki. Er fragt sich auch, ob irgendein armer Wicht sich die Scheibe mit Schlag wohl eingebaut hätte, um sich dann Wahlweise bei Tempo 80 auf die Fresse zu legen oder vorher seinen Bremssattel zu zerspahnen.

Herr Müller ist nun etwas aufgebracht und ruft bei Götz an, mit dem Vorhaben, mal mit Herrn Götz zu sprechen. Das wird Herrn Müller natürlich verwehrt. Nach langem insistieren, mit jemand zu sprechen, der sich verantwortlich fühlt, wird Herr Müller mit Herrn Fix verbunden, dem er alles genau aufs Butterbrot schmiert. Herr Fix ist peinlich berührt und verspricht, sich der Sache SOFORT anzunehmen.

Er bittet, die defekte Scheibe an ihn persönlich zurückzusenden, was Herr Müller auch tut.



Zweiter Akt:

Herr Müller geht in Urlaub. Der dauert 6 Wochen, also reichlich Zeit, eine Spiegler Scheibe zu beschaffen, Bremsbeläge zu organisieren, oder Postkarten zu senden, falls was nicht klappt.

Herr Müller fragt aus dem Urlaub nach ca. 3 Wochen zuhause an, ob mittlerweile eine Scheibe eingetroffen ist; er hofft nach seiner Rückkehr noch einige sonnige Tage mit seinem tollen Motorrad verbringen zu können.

Nein, es sei nix eingetroffen schallt es aus der Heimat. Herr Müller ruft aus dem Urlaub Herrn Fix an, der sich auch direkt erinnert, mit Herrn Müller mal gesprochen zu haben. Die Scheibe hat er nicht erhalten, obwohl Herr Müller sie z.H. Herrn Fix abgesendet hat. Herr Fix sagt zu, sich nachhaltig drum zu kümmern und Herr Müller vergisst die Sache mal für eine Weile.


Dritter Akt:

Herr Müller ist aus dem Urlaub zurück.
6 Wochen! hat es gedauert. Nun aber schnell die Scheibe eingebaut und los!

Leider ist nur keine Scheibe da. Herr Müller telefoniert mit Götz. Herr Fix ist nicht erreichbar, die Dame am Telefon kann im System nichts finden, es sei doch eine Scheibe an Herrn Müller geliefert worden, Anfang August schon, einen Rückstand könne sie nicht feststellen.

Herr Müller atmet jetzt ganz ruhig, das ist so eine Übung, die Schreianfälle verhindern hilft.

Die Dame verspricht, Herr Fix werde zurückrufen.
Was nicht passiert.

Eine Woche später ruft Herr Müller daher bei Götz an, um mal nachzufragen, was denn jetzt ist. Herr Fix ist nicht zu erreichen, er ist auf einer Messe. Man verbindet Herrn Müller mit einem anderen Herren, dem Herr Müller alles genau erzählt und auch, das Herr Fix sich an sich schon kümmern wollte und das er langsam doch mal gerne ein Bremsscheibe hätte. Der Herr verspricht, sich um alles zu kümmern und versichert, das es ihm sehr peinlich sei.

10 Tage verstreichen, nix passiert. Es ruft keiner an, es kommt keine Scheibe.

Herr Müller ruft erneut bei Götz an. Die Dame an der Bestellannahme kann keinerlei Rückstand im System feststellen, kein Wunder, die Scheibe sei ja Anfang August geliefert worden. Herr Müller sieht so rote Flecken vor den Augen, kann aber doch noch nach Herrn Fix verlangen, der aber nicht da ist, sondern auf einer Messe.

Herr Müller erwägt kurz, sich mit irgendwas schwerem zu bewaffnen und zur Messe zu fahren, verlangt dann aber doch, mit Herrn Götz sprechen zu dürfen. Was ihm aber verwehrt wird. Die Dame an der Auftragsannahme erklärt sich aber bereit, Herrn Götz zu berichten und Herr Müller erläutert ihr daher schon leicht ermüdet den ganzen Vorgang in gekürzter Version. Die Dame verspricht, alles in Ordnung zu bringen und notiert sich noch mal die Telefonnummer, die so allerdings auch im System von Götz steht.

Und ruft 2 Tage später zurück! Wunder! Um zu berichten, Herr Götz habe die Scheibe persönlich beim Hersteller geordert und sie werde in wenigen Tagen da sein.

Endlich!

Aber die Scheibe kommt nicht.



Vierter Akt:

Es wird langsam kalt in Deutschland, es ist Mitte Oktober und an Fahren mit dem Motorrad ist nicht zu denken. Dank Götz steht die Kiste nun seit 2 1/2 Monaten unter einer Plane, die 2 Wochen wegen des Federbeines nicht mal mitgerechnet.

Herr Müller ruft noch mal Herrn Fix an und erreicht ihn nach dem 3. Versuch. Herr Fix kann sich auch sofort erinnern, mittlerweile hat er auch die Brembo mit Schlag mal gesehen. Sie war vor Wochen bei Götz eingetroffen, aber trotz der Aufschrift „z.H. Herrn Fix“ nicht zu ihm sonder irgendwohin sonst geschafft worden. Er ist aber doch baff überrascht, als er erfährt, das Herr Müller noch keine Scheibe hat. Er werde sich SOFORT darum kümmern.

Und am nächsten Tag kommt die Scheibe!!

Echt!!!

Jubel!

Leider muss Herr Müller nochmal 250,- DM bezahlen, da die Scheibe erneut mit Nachname geliefert worden ist, obwohl Herr Müller ja schon einmal für eine defekte Scheibe bezahlt hatte. Egal, das kann man später klären! Voller Freude packt Herr Müller die Scheibe aus, eine Spieg.... moment.... eine “Braking”?

Aha.

Und außerdem ohne Bremsbeläge.


Herr Müller ruft Herrn Fix an und der verspricht, sich sofort drum zu kümmern und Herr Müller solle doch bitte die Scheibe zu seinen Händen zurücksenden... und so weiter und so weiter.



Ende.

Jedenfalls bis hier hin. Aktueller Status:

Herr Müller hat sein Motorrad insgesamt weit über zwei Monate nicht nutzen können und mehr als 20 x mit Götz telefoniert. Er hat insgesamt rund 500,- DM an Götz bezahlt und hat dafür eine Scheibe erhalten, die er nicht bestellt hat und keine Bremsbeläge.

Und die Scheibe soll er außerdem jetzt zurücksenden.



Die Frage ist nur, ob man Irrenhausinsassen überhaupt gestattet, Pakete zu versenden und selbst wenn ja, bezweifelt Herr Müller, das er mit dieser komischen Jacke, die er jetzt immer tragen soll, die Scheibe überhaupt eingepackt bekommt.


(Später hab ich die Scheibe und Beläge dann tatsächlich bekommen, mein zuviel gezahltes Geld auch und als Entschuldigung noch eine paar Schienbeinprotektoren, die ich auch 12 Jahre später noch benutze)