Brief an Citibank

An Denis Hall Citibank
Christian Müller
irgendeinestraße 1 1 Berlin
 
Berlin, 05.10.1994
per Fax
 
Sehr geehrter Herr Denis Hall,
heute fand ich Ihr Schreiben zum Thema "10%, 20% oder 30%
Rückzahlung per Bankeinzug". Das Ganze ergibt einen effektiven Jahreszins von nur 16,91%.
Da kann ich nur sagen: Ja, so eine Bank hätte ich auch gerne!
16,91%!
Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob ich nicht so etwas wie eine
moralische Verpflichtung verspüren würde, die Kunden nicht zu ruinöser Überschuldung zu verleiten. Die Frage ist doch, ob eine große Anzahl der Kunden einer Bank tatsächlich so "flexibel und souverän planen können", wie es im Umgang mit Krediten nötig wäre.
Nun es gibt ja Leute, die behaupten, eine Bank verdiene deswegen
Geld, eben weil Kunden NICHT souverän mit Geld umgeben können.
So etwas würden Sie doch niemals fördern, oder?
Mit freundlichen Grüßen
 
(mein Name)



(2016 lese ich das zufällig noch mal: 16,91% effektiver Jahreszins. Unfassbar)

Freitag 01, Omicron6 (im Bunker)

Ich war 4 Wochen in Frankreich und gehe mal wieder in den Bunker. Der Türsteher ist mir wohl gesonnen, denn ich habe ihm mal ein Autoradio mit CD Player in sein Benz eingebaut. Das Radio hatte so Kratzer an der Seite und alle Kabel waren durchgeschnitten. Hab' aber nicht weiter nachgefragt, denn komischerweise hatte er sogar die Bedienungsanleitung. Seltsam. Muß mich unbedingt daran erinnern, meine Anleitung ins Handschuhfach zu legen, damit derjenige, der als nächster mein Autoradio klaut, auch eine Anleitung hat.

Es ist viel zu früh, erst eintausendzweihundert. Kein Arsch da. Alles sieht völlig gleich aus. Nur das Mädchen an der Garderobe erinnert sich, daß ich länger nicht da war. Sie erinnert sich sogar, daß ich in Frankreich war. Sind da erste Anzeichen von Liebe oder hat sie ein phänomenales Gedächtnis?

An der Garderobe haben sie jetzt ein Schild aufgehängt, was man alles kaufen kann. Sämtliche Zigarettensorten sind zum Beispiel aufgeführt. Mit Bildern für Leute, die nicht lesen können. Sind zwei Sorten.

Da gibt es dann solche Gespräche: Ein im Tekknorythmus zuckender Jüngling, der irgendwie an der Ausweiskontrolle vorbeigekommen ist, fragt: "Habt ihr Kämmel Medium?"

(Echt! Kämmel MEDIUM!)

(Echt!!)

(Wie wäre es denn, wenn man feinere Abstufungen einführen würde, sagen wir mal Kämmel halbmedium, die wäre dann etwas weniger stark als die Kämmel dreiviertellmedium)

Antwortet das phänomenale Gedächnis an der Garderobe: „Wir haben nur Guluasgrün und Kämmelleid.“ (Was immer das sein mag, ich kenn nur Candlelight)
Fragt der Jüngling: „Aber keine Kämmel Medium, nein?“
Antwort: „Nee, nur Guluasgrün und Kämelleid.“
Jüngling: „Oder habt ihr Guluaseblau?“
Gedächnisphänomengirl antwortet geschickt: „Nein, hammanich, wir haben nur Guluasgrün und Kämelleid“ und sieht mich dabei gequält an. Aber eventuell ist es auch ein schmachtender Liebesblick. Ich sehe mir noch mal den Jüngling an, der immer noch brütend zum Schild mit den zwei Bildern hoch stiert. Langsam beschleicht mich der Verdacht, das Extasy doch blöde macht.

Ich gehe lieber wieder. Gehe dann aber doch nicht, denn ich treffe Wolfi. Wolfi kennt jeden und ist nett. Er läuft immer in Vollcamo rum und hat immer ein fetten Rucksack mit Sachen drin dabei. Er bringt einem immer was zum Esssen mit. Pizza oder Hamburger. Außerdem hat er immer eine praktische Taschenlampe dabei. Aber diesmal will er mir Anzeigen in einem Fanzine verkaufen. Das soll angeblich Flyer heißen und der Bringer werden.

Was geht hier ab? Ich geh doch lieber.


Loveparade

August 1994 für Bierfront Spezial:
Loveparade '94

Ach du Kacke!

Also warte mal! Die Idee war doch, ein paar PAs mit Notstromaggregaten auf 'nen Laster zu packen und auf dem Q-Damm ein paar Scheiben zu zerblasen. Wer will, kann auch in komischen Klamotten kommen und tanzen bis er umfällt. Könnte lustig sein.
Aber nee.
Schon mal in Köln gewesen?

Da gibts sowas Ähnliches: Kommen auch Lastwagen, stehen auch Leute auch in komischen Klamotten drauf. Musik gibt es auch und hinter den Wagen laufen auch Leute her, die tanzen. Das Ganze nennt sich "Karnevalsumzug" und unterscheidet sich von der Loveparade nur minimal. Ein guter Karnevalsumzug hat zum Beispiel Trommlerzüge. Hatte die Loveparade auch! Anstatt Technomusik mal ein Wagen mit den "Latintrommlern e.V." oder so?
Doll. Richtig weltoffen eben. Und so NEU.
Der richtige Karnevalsumzug hat auch einen Prinzenwagen. Obenauf steht der Karnevalsprinz mit lustigem Kopfputz und winkt huldvoll dem Volke. Genau wie Tanith, der auf seinem Armeelaster stehend mit lustigen Schläuchen am Kopf dem Volk winkt. Hintendran der Panzer, symbolträchtigst mit Hanfblättern bemalt. Jau, da kracht die 3-fach verschachtelte Symbolik nur so. Dennoch ist er der beste Wagen, der Hauch von SF ist das adäquate Ambiente für Techno.
Ist die Kiste dann später über irgendjemand drübergerollt?
Mit der Folge -> Tod? So passiert's jedenfalls öfters mal in Köln.
Ah ja, in Köln werfen sie auch noch mit Süssigkeiten vom Wagen. Meistens Werbung einer Süsswarenbude. Wie dieses Eis, das auf der Loveparade verteilt wurden.

Also, was unterscheidet die beiden Ereignisse? Die Art der bevorzugten Droge?
Alk total gegen Speed und Extasy total?

Oder gar, daß so ein unsäglich blöder Wagen wie der Camel "Airave"-Jumbo in Köln als zu kommerziell nicht zugelassen würde?
Soweit isset schon!
Camel hat die Bewegung gekauft. Camel SilverPage, Rave mit Camel und was weiß ich. DJs verlangen pro Abend 1.500,– DM (oder waren das jetzt DM 15.000,–?) Bezahlt werden kann das nur, wenn man Sponsoren hat. Und da die Plattenindustrie zuerst kein Interesse hatte, war's dann eben Sauf und Qualm. Demnächst werden die DJs sicher klagen wie kommerziell alles geworden sei.
Ach wie schön war doch die Zeit! Als alles noch Untergrund war und 130 BpM noch als schnell galten. Mittlerweile ist ja sogar der Tresor eine ansehnliche Diskothek geworden und einzig der Bunker hält noch ein bischen so etwas wie die Fahne des Untergrunds hoch.
Die 3. und 4. Generation Raver findet's toll und hält Mayday und Loveparade für den Höhepunkt des Jahres.
Die 2. Generation macht die Musik dazu und die erste Generation ist zu Iconen erstarrt; und manche verdienen sich dusselig.
Hatten wir alles schon Mal.

Techno wird aufgekauft wie zuvor schon Punk und NDW und Rap und was weiß ich noch alles.

Was richtig lustig ist, daß alle diese Bewegungen so GLEICH sind. Komische Musik und komische Klamotten als Abgrenzung, bis all das, was komisch war, im Neckermann Katalog zu kaufen ist.

Meine Mutter berichtet von düsteren Jazzkellern, wo der Dreck von den Wänden bröckelte und man auch als Frau Jeanshosen trug! Die Musik war für Außenstehende einfach FURCHTBAR. Und da war man stolz drauf. Das war, als sie 16 war.

Was ist die Zukunft? Gibt es ein Technostück namens "Hardcore will never die!"? Richtig! 1997 wird man "TerrorDrome 8, the Terror goes on" bei Quelle bestellen können.

Ach, was sage ich, NÄCHSTES JAHR.

Und überall laufen schon Schnüffler rum, die den nächsten Trend finden wollen.

Alles auschalten.
Grillmaster 2,5



Gerüchte:
Ach ja, die neusten Gerüchte über die Technoszene: Muss leider wegen belanglosem Verhalten aller Beteiligten ausfallen.

Schnarchmaster 2000 Phon



(Das war die letzte Loveparade auf der ich gewesen bin: Man beachte mal, WIE wahr das alles geworden ist.)

Amerika TV Reklame

Im Fernsehen gießen sie blaue Flüssigkeiten in Windeln für Babies, Binden für Frauen oder mit Watte gefüllte Windeln für alte Menschen, die ihr Wasser nicht mehr halten können.

Natürlich gibt es mit den Binden und Windeln der Konkurrenz Probleme, die Flüssigkeit wird nicht vollständig aufgenommen oder läuft bei Bewegung wieder aus. Die Wattematten für ältere Menschen reißen, wenn man sie mit kleinen Gewichten belastet.

Die eigenen Produkte nehmen die blaue Flüssigkeit klaglos auf, sie verschwindet geradezu.
Auch mit den Gewichten gibt's keine Probleme, obwohl ich es mir unangenehm vorstelle, kleine Gewichte in der Unterhose 'rum zu tragen. Die Dinger sind ja in der Regel aus Metall und meistens auch eckig und hart.
Wenn man sich da mal drauf setzt, kann so was ganz schön weh tun!
"Get back into life!" sagt ein rüstige Seniorin sehr ermutigend in der Reklame und klopft dabei auf eine Backung mit spezieller Watte.

Also ich stelle mir das so vor: zuerst tut man sich, wie in der Reklame zu sehen, eckige harte Gewichte in die Unterhose, und die scheuern einem dann die Arschbacken auf und geben höllisch schmerzende Hämatome, wenn man sich mal hinsetzt und so weiter: besonders bei harten Parkbänken.
Da hat man schnell keine Lust mehr auf Tauben füttern, und braucht was Weiches. Jetzt kommt das beworbene Produkt zum Zuge, das natürlich nicht eckig und hart ist, und außerdem literweise blaue Flüssigkeit aufnehmen kann, ohne zu tropfen.
Wer weiß wozu das mal gut sein kann!
Und schon kann man den Arsch (Englisch: Back) wieder zum Leben erwecken.
Genau.

TOOL, Loft, Berlin 05.07.94

Tool ist ein komische Band aus Los Angeles. Man denkt zunächst an die soundsovielste Metallertruppe. Sind Tool aber nicht, denn der Sänger hat eine eigene Stimme und die Stücke zeichnen sich durch eine seltsame Melodie aus. Bisher weiß ich nicht, ob ich die Musik gut finden soll. Die Songs auf der aktuellen CD "Undertow" nehmen dauernd melodische Wendungen, die unerwartet sind. Das kann auch Scheiße sein und manchmal frage ich mich auch, ob es mir nicht lieber gewesen wäre, der Song wäre jetzt etwas trivialer weitergegangen. Trotzdem geht von Tools Musik eine komische Schwermut aus und wird eine gewisse Tiefe vermittelt, die andere nie hinkriegen. Kling blöd. Weiß ich selber.

Ansonsten hat Tool ein paar ganz gute Videos, die vor allem dadurch auffallen,
das darauf NICHT die Jungs beim Gitarrenspiel zu sehen sind. Außerdem
haben sie die Videos selbst gemacht, was man kaum glauben will, weil sie kein
bisschen Stümperhaft aussehen. Live sind sie aber trotzdem Scheiße.
Das Konzert war recht basslastig, wohl ein Tribut an die Metallfangemeinde,
denen nämlich sonst auffallen könnte, daß sie Tool gar nicht
gut finden. So aber hören sie nur Bumm / Bumm / Bumm,
sehen die Tätowierungen auf dem Rücken des Sängers
und fühlen sich gleich heimisch. Manchmal legte Tool sehr
lange Pausen von über 50 Sekunden zwischen den Stücken
ein, was auch nicht so kommt. Wir halten also fest: Die Konzerte
sind nix und bei den Platten und Videos könnte man denken,
daß sie etwas zu sagen haben. Beste Voraussetzung für
einen Mißerfolg.

Grillmaster 2000

(Als ich diesen Artikel für den Berliner Ableger der Bierfront schrieb,
die sich originellerweise "Bierfront Spezial" nannte, wußte
ich noch nicht, dass durch einen seltsamen Zufall meine holländische
Cousine später mal den Schlagzeuger von Tool heiraten sollte.)

(Echt!)

Konzertkritiken für die Bierfront Spezial, 1994

Sepultura in der Eissporthalle in Berlin, 04.07.94
Speedmetall. Vier Leute. Drei halten Stromgitarren fest und einer vocalisiert auch noch, der vierte spielt Schlagzeug. Brasilianer sind es. Natürlich mit den obligatorischen Doppel- Bassdrums. Damit lassen sich leicht 200 BpM erzeugen. Die Stücke sind gekennzeichnet durch diese Art Röcheln, das aus der Kehle eines bemitleidenswerten Menschen entdringt, der wohl unter einer schweren Form von Mandelkrebs oder so leidet. Also ich würde da nicht mehr versuchen zu singen, wenn ich so was hätte. Der Typ hat sich an seinen Mikroständer eine Gasmaske gebunden. Doll. Diese starke Symbolik! Der röchelnde Typ springt immer so rauf und runter, wie ein Gummiball. Das ist in der Tat sehr beeindruckend. Sieht völlig natürlich aus. Links hinter der Bühne steht diese Trulla von MTV, die mit den bunten Haaren und dem schiefen Maul, die immer diese Kopfhammersendung macht. Ihre Arme sehen auch wie aus Gummi aus. Ihrem ganzen Verhalten nach sieht sie diese tolle Musikdarbietung zum ersten Mal, denn sie geht richtig mit. Offenbar glaubt sie, diese Sepulturajungs spielen verschiedene Stücke, denn die MTV Trulla bewegt sich nach jeder Pause etwas anders.

Ich hingegen glaube, die spielen immer dasselbe Stück, nur in leichten
Tempovariationen und natürlich kriegt der Krebskranke
das Röcheln nicht jedes mal völlig identisch hin.

Kann man ja verstehen.

Ich würde auch keinen Ton mehr treffen, wenn ich sowas hätte.


Um dennoch eine gewisse Klangvariation zu erzeugen, wechseln zwei
der Stromgitarrenspieler ständig ihre Klampfen aus. Im hinteren
Teil der Bühne steht zwei Roadies. Der eine hält eine Menge
von diesen Dingern mit vier Saiten bereit, das ist wohl die sogenannte
Bassgitarre. Der andere hat viel von den Standardgitarren.
Nach jedem Stück werden die Gitarren getauscht. Für mich klingen
die alle gleich, aber netterweise haben sie alle leicht unterschiedliche
Formen, daher kann ich sie trotzdem auseinander halten.

Vorne werden Fans durchs Absperrgitter frittiert, aber trotzdem singen sie
noch irgendeinen Text mit, wie ich an den Lippenbewegungen
erkennen kann.

Der Gitarrist ganz rechts tut immer so wild, aber zwischendurch
kann er noch ein etwa acht jähriges Mädchen auf die Bühne
zerren und ihr Anweisung geben, sich hinter der PA hinzusetzen.
Das Mädchen folgt brav. Ist nämlich seine Tochter. Ein
weiteres Kind im Alter von etwa zwei Jahren sitzt im Kinderwagen
und nuckelt an einer Flasche. Um die Ohren zu schützen, hat
es Ohrschützer an. Und noch allerlei Lappen um den Kopf
gewickelt. Die Mutter sieht auch recht wild aus, bunte Haare und Tatoos,
was eben so dazugehört.

Warum haben diese Speedmetall Leute eigentlich immer so komische
3/4-lange Schlafanzughosen an?

Später sehe ich dann Interviews im Zeittöter, die die Trulla
mit den bunten Haaren mit dem Röchler führt und der
Röchler wiederrum mit Henry Rollins. Dabei lernen wir, daß der
Röchler "Max" heißt und die Wortkombination "and Stuff" ganz toll findet.

Besonders am Ende von Sätzen.

Sympatisch ist aber der spürbare Widerwillen des Röchlers
Max, sich Sätze aus dem Hirn zu quälen.

Auch Rollins antwortet eher automatisch.

Man erkennt, daß er sich in echt mit etwas ganz anderem
beschäftigt und dem Interview etwa die Bedeutung des oft
zitierten Fahrrades in China beimißt. Sepultura ist übrigens
ein altes Wort für "Beerdigung" oder "Bestattung".
Wieder was gelernt, wie?

Diggmaster 2000


Henry Rollins, Eissporthalle Berlin 04.07.94

Der Mann sieht ja aus wie Arnold Schwarzenegger mit etwas kürzeren Beinen und ohne Lücke zwischen den Vorderzähnen. Auf den Rücken hat er die Worte "Seek and Destroy" tätowiert. Drunter noch ein grosses Sonnengesicht.
Für Leute, die sich so was lieber nicht unter die Haut nadeln
lassen wollen, gibt's das Ganze auch auf T-Shirt gedruckt.
Ferner ist bekannt, das er Theater spielt, als Komiker auftritt,
Gedichte und Bücher schreibt, in Filmen Polizisten spielt und
was weiß ich. Meistens ist was er macht gar nicht mal doof.

Seine Musik ist nicht so der Hit. Vor allem nicht, wenn sie lebend
dargeboten wird. Das ist bei diesen Stromgitarren-Hartmetallleuten
oft der Fall, weil man die Stücke nicht so recht unterscheiden
kann. Rollins ist aber eigentlich gar kein Hartmetaller und sein
Bassist spielt sonst Jazz. Rollins kann auch etwas singen, so daß
man manchmal eine Melodie wieder erkennt und sich erinnert, daß "Liar"
einem als gutes Stück erschien, als man es zuletzt in Empty Vee gesehen hat.
Da war der Text allerdings verständlich.

Eventuell sollte der Mann doch nur dichten.

Trotzdem ist es sehr wichtig, Rollins mal auf der Bühne zu sehen,
weil er einem ein völlig neues Körperbewusstsein vermittelt.
Vorher wusste ich nicht, daß man sich derart verrenken kann.
Ausserdem ist es angenehm mit dem Menschen zu reden, denn seit
ein guter Freund von ihm bei einem Drive-by-shooting als Mushroom
umkam und er selbst nur knapp verfehlt wurde, hat er eine ganz akzeptable
Einstellung zum Leben.

Beim in "Empty Vee" ausgestrahlten Interview mit der bekannten
bunthaarigen Trulla zeigt er nur einmal richtig Regung: als die Trulla mit
gewohnt schiefen Maul ankündigt, sie werde gleich über
ein Werk der Gruppe "Cannibal Corpus" namens "The Bleeding"
labern, lacht er kurz auf und fast sich an den Kopf.

Schließlich heißt seine Band einfach nur "Rollins Band".

Killmaster 2000


Weg mit irgendwas!

Grillamster bluberstrasse 9 1Berlinbr>


Berlin, 17.05.1994



Beste Margit SYYYYYYg,

heute fand ich den Aufruf zur Demo gegen… für… ja, was eigentlich?
Also nicht, dass wir uns mißverstehen, ich bin im Grunde Ihrer Meinung
und habe auch Ihr Flugblatt verstanden. Aber gerne habe ich es nicht gelesen. Und ob es die anderen Bewohner meines Hauses verstanden haben… Nun ja.
Ich persönlich blicke auf eine lange Erfahrung mit Formulierungen
wie: "Weg mit… antifaschistische…. nie wieder… Sowieso-Innen." zurück und ich kann nur sagen, so etwas interessiert KEINEN.
Auch ich bin aufgerufen, an einer Demo teilzunehmen, die unter dem Motto
steht:
"Keine Kriminalisierung des anti-faschistischen Widerstands -
und der Selbstverteidigung von Immigrantinnen - Eingreifen ist gerechtfertigt!"
??
Äh, was? Echt ja? Wo lebt ihr eigentlich? Die Hälfte der Deutschen
wissen im Grunde nicht, was mit "Antifaschistisch" gemeint ist. Die lesen Bildzeitung und verstehen Sätze wie:
Hamburger Pfarrer killt Dackel in Mikrowelle!
Meiner Meinung nach leidet Ihr unter einem Zielkonflikt. Entweder Ihr wollt
Leute für eine gerecht und gute Sache mobilisieren. Dann müsst Ihr euch der Sprache und den geistigen Möglichkeiten eurer Adressaten angleichen. Schlimmer noch, ihr müsst sie INTERESSIEREN.
Oder ihr wollt ein politisch und sprachlich korrektes Statement abgeben.
Auch nett, nur hören will das keiner und jemanden bewegen könnt ihr damit auch nicht.

Sätze wie: "Der Rassimus, der Sexismus, der Antisemetismus kommen
auch aus der Mitte unserer Gesellschaft," sind zwar richtig, aber wenn Ihr glaubt, der Satz bedeute für den Otto Normalbürger mehr als "blubber blubber", dann seid ihr schief gewickelt.
Ferner schreibt Ihr: "Worum geht es uns in dieser Demonstration?"
Uns? Also Euch? Ich soll also auf einer Demo von EUCH mitlaufen?

Warum schreibt ihr nicht:

Worum geht es in dieser Demo?

Satz zu einfach?


Ausserdem:

- Die Belange der Frauen sind legitim, gehören aber hier nicht her. Wenn doch, so bedenkt bitte, daß sie vom zentralen Anliegen ablenken und daher hier nicht produktiv sind. Also bitte lasst den Sexismus stecken und nervt nicht mit "xxxxInnen" Denn damit verliert ihr alle Männer, die bei dem Gedanken an Manzis Wallungen bekommen. Und ihr wisst am Besten, das das einige sind. (Ach übrigens, gibt es keine PolizeibeamtInnen?)

- Mindestens folgende Worte sind inhaltlich dem deutschen Normalbürger NICHT BEKANNT: Pogrom, Mobilisierung, AntifaschistInnen. Die meisten eurer Sätze verstehet der Normalbürger auch nicht, einige Beispiele habe ich schon gebracht. Lest Bildzeitung. Dann wisst ihr, was verstanden wird und was nicht. Ist leider so.

-Überhaupt ist es ungünstig, solche Veranstaltungen mit sprachlichen Mitteln anzukündigen, die schwer an ähnlich Werke des KBW oder so erinnern.

Das Design ist schon ganz nett. Jetzt noch der richtige Text und Ihr könntet mit mehr Unterstützung rechnen. Zwar hart, aber dennoch wahr: Die Demo ist ein Produkt und das soll beworben werden. Also lasst einen Werbetexter ran! (Ich bin keiner!)

Mit freundlichen Grüßen

Grillmaster

P.S.: Der einfache Weg ist, meinen Brief mit den Worten
"So ein arrogantes Arschloch" in den Müll zu werfen.

______________________
(weia, war ich ein arrogantes Arschloch damals!)


Sat1 kocht auch nur mit Urin

von:
Dingens Müller
Dollestrasse Nummer xy
1 Berlin



an:
Hubert Schwendemann
SAT.1 Zuschauerservice
Otto-Schott-Straße 13
55127 Mainz



Berlin 21.04.94



Sehr geehrter Herr Schwendemann,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 10. April dieses Jahres.

Sie beginnen Ihr Schreiben mit den Worten, Sie hätten mein Schreiben aufmerksam gelesen.
Hm.
Dann habe ich mich wohl recht mißverständlich ausgedrückt. Ich stellte keineswegs in Frage, daß den Mitarbeitern des Zuschauerservice auch ein Osterfeiertag zu gönnen sei. Nun stehen die Osterfeiertage aber schon ziemlich lange fest und es sollte daher kaum schwierig sein, Ihren Bildschirmtext entsprechend zu aktualisieren. Wenn dort am Ostermontag steht, ich könne den Zuschauerservice erreichen und dies ist gar nicht der Fall, so ist das eben einfach etwas … nun… falsch?
Da hilft es natürlich gar nicht, als Kommentar zu meiner Meinung auf das Thema "Oster-feiertage der SAT. 1 Mitarbeiter" abzuheben.

Ferner leuchtet es mir durchaus ein, daß der Mitarbeiter des Bestellservice nicht Auskunft über Fragen des Programmablaufes geben kann. Verstehen Sie aber bitte doch meine kleine Überraschung, als ich mit einer Frage zu Ihrer Programmgestaltung auf den Lippen nach Wahl der im Videotext angegeben Nummer „Fragen zum Programm“ jemand am Apparat habe, der als erstes wissen will, was ich denn zu bestellen wünsche.

Das kann ja wohl nicht mein Problem sein, wenn bei Ihrer Programmauskunft der Bestellservice meldet.

Im weiteren Verlauf schreiben Sie, ich hätte in meinem Schreiben behauptet, noch nie ein vernünftige Auskunft erhalten zu haben. Falls ich das tatsächlich geschrieben haben sollte, nehme ich das sofort zurück. Allerdings glaube ich mich zu erinnern, das Wort "nie" nicht verwendet zu haben.
Wie dem auch sei, allwissend kann auch ein Zuschauerservice nicht sein. Richtig.
Nun frage ich aber in der Regel nicht nach der Uhrzeit in Timbuktu oder Gesteinzusammensetzungen auf dem Mond, sondern in der Regel Fragen, wie ich sie bereits in meinem ersten Schreiben skizzierte. Also solche, in denen es um das Programm Ihres Senders geht. Wenn der Zuschauerservice sich NICHT mit Ihrem Programm befasst, so würde es mich interessieren, was denn sonst die Aufgabe dieser Ihrer Einrichtung ist.

Das Sie mir trotzdem weiterhin gute Unterhaltung mit SAT.1 wünschen, deutet darauf hin, daß ich wohl erhebliche Probleme habe, mich klar auszudrücken.

Sie haben ja mein Schreiben aufmerksam gelesen und trotzdem nicht erkannt, daß ich meine Frustration ob der stiefmütterlichen Behandlung meiner Lieblingsserie "Raumschiff Enterprise" im wesentlichen dadurch zu lindern suche, Ihr Programm eben nicht mehr zu konsumieren.

Ich darf Ihnen an dieser Stelle versichern, daß das Programmangebot von SAT.1, soweit es dolle Gameshows und dergleichen betrifft, für mich nur von recht untergeordnetem Interesse ist.

Einzig "Raumschiff Enterprise" hat auf mich einen gewissen Reiz ausgeübt, ja ich habe sogar die diversen Werbeblöcke ertragen, die lustigerweise nicht mal in die von den Machern der Serie vorgesehenen Stellen (Nennt man "Cliffhanger" diese Stellen) eingefügt sind. Da ich tagsüber nicht in der Lage bin, die Serie zu sehen, ich gehöre nun mal zum arbeitenden Teil der Bevölkerung, sah ich mir die Serie meißt Nachts an. Wenn sie Nachts wiederholt wurde. Das passierte oft genug nicht und tendenziell nicht bei vergleichsweise wichtigen Folgen, etwa dem zweiten Teil von Zweiteilern.

Anstelle dessen wurden dann gerne schon mal irgendwelche Filme in der Zeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr zweimal gesendet.

Und obwohl neulich zu meiner Überraschung nachts ganz unplanmäßig eine wichtige Folge eingeschoben wurde (Klingonischer Bürgerkrieg 2.Teil), also ein gewisser Lerneffekt bei den Sendeverantwortlichen festgestellt werden kann, so ist mir die Sache langsam doch zu aufreibend.

Mit der "Gewissheit" das "Raumschiff Enterprise" nachts vermutlich aber nicht sicher irgendwann zwischen 0.20 Uhr und 2.55 Uhr wiederholt wird oder auch nicht, macht das einfach keinen Spaß.

Ich nehme aber an, daß meine obigen Ausführungen eigentlich überflüssig sind, denn die Formel "Wir wünschen Ihnen trotzdem... etc" scheint mir ein Textbaustein zu sein.

Ich darf daher auch mein Schreiben entsprechend beenden. Ich tippe nur "m f g" und mein Computer macht was draus, nämlich:


Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen



(mein Name)